Gattungszuschreibung als Wertungsstrategie in der Rezeption neuester deutschsprachiger Romane

Rafał Pokrywka (Bydgoszcz)

Der riesige Einfluss von individuellen und kollektiven Gattungszuschreibungen auf Lektüren in Lesegemeinschaften ist unbestreitbar. Da die Gattungszuschreibung den ersten Schritt der Interpretation darstellt und die darauffolgende Lektüre steuert, kann es nicht verwundern, dass sie auch Objekt des Kampfes zwischen mächtigen Instanzen bzw. Akteuren im generischen Prozess (Produzenten, Distribuenten, professionellen und nicht-professionellen Rezipienten) ist. Im Referat wird ein bestimmter Aspekt dieses Kampfes hervorgehoben – die Wertung. Alle Instanzen bewerten Texte nach ihren kontingenten Vorstellungen von literarischem Kanon und Gattungshierarchie. Da sich aber Texte auf verschiedene (unterschiedlich begriffene) Gattungsmuster beziehen können, wird ihnen je nach Gattungszuschreibung ein unterschiedlicher Status in den jeweiligen literarischen Hierarchien zuerkannt. Die Frage wäre, inwieweit mediale Kritiken, Werbestrategien und literaturwissenschaftliche Erkenntnisse die Gattungszuschreibungen in Lesegemeinschaften steuern und demzufolge die Texte bewerten lassen. Dies wird am Beispiel der Online-Rezeption neuester deutschsprachiger Romane dargestellt: Verteidigung der Missionarsstellung (2012) von Wolf Haas, Gehen, ging, gegangen (2015) von Jenny Erpenbeck, Das Mädchen mit dem Fingerhut (2016) von Michael Köhlmeier.

[zurück]