Wie man über Bücher spricht, die man gelesen hat

Ein Vergleich von Diskussionen über Walter Kappachers Der Fliegenpalast in einer privaten Lesegruppe und in der Sendung Literaturclub

Martin Rehfeldt (Bamberg)

Die grundsätzliche Situation scheint in beiden Fällen vergleichbar: Einige Menschen, die sich für Literatur interessieren, tauschen sich über ein gelesenes Buch aus. Doch damit endet bereits die Gemeinsamkeit zwischen einer privaten Lesegruppe und einer Diskussionsrunde in einer Literatursendung. Denn bei den Diskutanten in einer Literatursendung handelt es sich um sogenannte ‚professionelle Leser und Leserinnen‘, zu deren Beruf das Sprechen über Literatur gehört, wohingegen die Mitglieder einer Lesegruppe sich zumeist zusammenfinden, weil Lesen zu ihren Freizeitbeschäftigungen gehört.

Hinzu kommt als weiterer wichtiger Unterschied die Öffentlichkeit bzw. Privatheit der Veranstaltung: Den Protagonisten einer Literatursendung ist bewusst, dass sie gefilmt und diese Aufnahmen gesendet werden, dass ihre Äußerungen also nicht nur von den Mitdiskutanten (und dem Studiopublikum sowie den Technikern etc.) wahrgenommen werden, sondern auch von einer ihnen nicht bekannten Gruppe Fernsehzuschauerinnen und -zuschauer. Der Inszenierungscharakter jeder sozialen Situation ist allen Beteiligten im Falle der Aufzeichnung einer Literatursendung also deutlich bewusster als in der privaten Lesegruppe.

Damit verändern sich auch mutmaßlich die Ziele der Redenden, denn zur Klärung des eigenen Verständnisses und zur Überzeugung der anderen Anwesenden von der eigenen Meinung als mögliche Gesprächsziele kommt bei einer Beobachtung des Gesprächs durch nicht daran Beteiligte noch nahezu unvermeidlich der implizite normative Anspruch hinzu, exemplarisch aufzuführen, wie man über Literatur sprechen sollte.

Der Vortrag geht am Beispiel von Diskussionen über Walter Kappachers Der Fliegenpalast in einer privaten Lesegruppe und in der Sendung Literaturclub der Frage nach, welche konkreten Auswirkungen die unterschiedlichen Gesprächssituationen auf das kommunikative Verhalten der Beteiligten haben.

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