Literaturplattformen im Internet: ‚Spiel-Räume‘ literarischen Handelns

Gesine Boesken (Köln)

Im Zuge der Entwicklung des Internet hin zu einem ‚Social Web‘ ließ sich in den vergangenen Jahren auch die Etablierung eines Literaturbetriebs im virtuellen Raum beobachten: Unter den spezifischen Bedingungen des Mediums sind dabei u.a. literarische Schreib- und Leseräume entstanden, die außerhalb des Internet in dieser Form letztlich nicht existieren. Dazu zählen beispielsweise Literaturplattformen, wie etwa Leselupe, Wortkrieger (ehem. Kurzgeschichten.de) oder Geschichtenweber, die zehntausenden von Nutzern nicht nur als Galerie für ihre literarischen Texte, sondern auch als Treffpunkt und Bühne, vor allem aber als Werkstatt für die (gemeinsame) Arbeit an den Texten dienen. Weil hier nicht nur literarische Texte veröffentlicht und gespeichert, sondern immer auch alle Prozesse literarischen Handelns (Identitätsmanagement, Anschlusskommunikation etc.) dokumentiert werden, verfügen Literaturplattformen auch über ein stetig wachsendes Archiv an Paratexten (Genette); diese nehmen nicht nur Einfluss auf die Wahrnehmung der Rezipienten, sondern wirken immer auch auf die akute Textproduktion und auf Schreibprozesse/-kompetenzen von Nutzern zurück. In einem Spannungsfeld von Unmittelbarkeit und Dokumentation, Anonymität und Identität sowie Privatheit und Öffentlichkeit entstehen auf Literaturplattformen daher ‚Spiel-Räume‘, die nicht nur das Erproben unterschiedlicher Handlungsrollen erlauben (Autor, Kritiker etc.), sondern auch den spielerischen Umgang mit der eigenen Identität (sowie mit sozialem Handeln) ermöglichen.